Leuchtende Nachtwolken 2015 |
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Leuchtende Nachtwolken in Mitteleuropa 2015
Mit 30 NLC-Nächten (Übersichtstabelle) zählte 2015 im langjährigen Vergleich
zu den 5 besten Jahren. Davon abgesehen lässt sich die Saison am besten mit "guter Durchschnitt" charakterisieren. Wie im Vorjahr gab es zahlreiche zumindest mittelhelle Displays, die zumeist aber nur in der Nordhälfte Deutschlands sichtbar waren. Für Beobachter südlich des 51. Breitengrades war es dagegen eine recht maue Saison. Die NLC-Aktivität konzentrierte sich in der 69 Tage langen Saison deutlich auf die letzten beiden Juni- und die ersten beiden Juli-Dekaden.
Die meisten NLC-Nachweise (19) konnte in der Saison 2015 mit Olaf Squarra (Rostock) erneut ein menschlicher Beobachter verbuchen. Erst danach folgten die automatischen Webcams des IAP in Warnemünde (18 Nachweise), Juliusruh (16) und Kühlungsborn (15), gefolgt von Andreas Abeln (Ahlhorn) mit 13 Sichtungen. Insgesamt lieferten 168 Beobachter (inkl. diverser Webcams) in 30 Nächten 379 Meldungen von NLCs, wovon 34% (128) auf die Nacht 10./11.07.2015 entfielen. Dies entspricht einem Schnitt von 12,6 erfolgreichen Beobachtern pro NLC-Nacht. Nimmt man den vorgenannten Sonderfall heraus, so sind es immerhin noch 8,7 pro Nacht.
Global gesehen war die NLC-Saison 2015 außerordentlich lang, wie nachstehende Aufstellung belegt. Im AKM-Forum wurde - wie im Vorjahr - neben den obligatorischen Threads zu den einzelnen NLC-Nächten ein über die gesamte Saison aktives Thema zu den OSWIN-Echos und anderen Indikatoren der NLC-Aktivität eröffnet. Daneben gab es zu jeder NLC-Nacht einen mehr oder weniger ausführlichen Rückblick mit kurzen Analysen (in der Übersichtstabelle jeweils in der linken Spalte verlinkt). Die Verwechslung von Zirren mit NLCs wurde war auch 2015 wieder ein Thema (anderer Fall), aber auch Dunstschleier vermochten Beobachter zu narren. Weitere Threads beschäftigten sich mit Ideen zur Modifikationen der Helligkeitsskala und dem allerersten NLC-Nachweis aus Japan am 21.06.2015. Die Gestaltung der Beobachtungsplanung gestaltete sich in der ersten Saisonhälfte schwierig, da OSWIN (genauer: dessen noch unbenanntes Nachfolge-Radar) bis zum 22.06.2015 keine Daten ins Internet übertrug. Das gleiche Problem trat aber auch bei den Daten des CIPS-Instruments auf dem AIM-Satelliten (letzte Mai-Dekade) sowie bei dem MLS-Plot (ab 01.07.2015) auf.
Auch 2015 erschienen auf Youtube zahlreiche Filme - zumeist Zeitraffer aus Reihenaufnahmen - von Leuchtenden Nachtwolken, deren Qualität wie üblich sehr durchwachsen war (Playlist). Hervorzuheben sind Aufnahmen aus der ISS, Zeitraffer von Kevin Lewis aus Wales, von "nineplanets" aus Stockholm sowie von Chris Kranich aus Kiel. Letzterer zeigt Aurora (in der Thermosphäre), NLCs (in der Mesosphäre), kräftiges Purpurlicht (Stratosphäre) sowie troposphärischen Wolken, also alle 4 Atmosphärenschichten. Auf der Plattform Vimeo war Noctilucent Clouds Above Rostock von Olaf Squarra mit feinen Details eines NLC-Displays bemerkenswert. Abb. 1: NLC-Beobachtungen in Mitteleuropa 2015. Die wichtigsten Beobachtungsorte sind namentlich gekennzeichnet.
Leuchtende Nachtwolken in der Nacht 10./11.07.2015 Abb. 2: Eigene Aufnahme vom Bonner Rheinufer, 10.07.2015, 23:39 MESZ.
Abb. 3: Eigene Aufnahme vom Bonner Rheinufer, 11.07.2015, 03:22 MESZ.
Durch die starken und bis in den Abend hinein anhaltenden Echos an OSWIN waren zahlreiche Atmosphärenbeobachter und Amateurastronomen vorgewarnt. Dass es sich um eine Wochenend-Nacht handelte und zudem während der ganzen Nacht nahezu überall hervorragende Wetterbedingungen (Abb. 5, 6) herrschten, trug dazu bei, dass eine Flut von Sichtungsmeldungen einging. Noch während der Abendstunden setzte auf Facebook, getriggert auch durch Meldungen diverser Wetterdienste, eine gewisse Viralität des Themas ein, wodurch auch zuvor völlig ahnungslose Menschen den Blick und vielfach die Kamera zum Himmel richteten. Für Abb. 4 wurden rund 110 von 128 Sichtungsmeldungen ausgewertet, wobei folgende Quellen berücksichtigt wurden:
Abb. 4: Beobachtungen von NLCs und Polarlichtern in Mitteleuropa am 10./11.07.2015. PL&NLC = Polarlichter und NLCs gleichzeitig beobachtet; PL = Polarlichter und NLCs nacheinander beobachtet. Hinzu kommt eine reine Polarlicht-Beobachtung bei Dresden.
Gegen 1 Uhr MESZ machte, ausgelöst durch eine Meldung von Michael Theusner, die Nachricht von fotografischen, teilweise auch schwach visuellen Polarlichtern die Runde.* Diese erreichten ihr Maximum um die astronomische Mitternacht - andernfalls wären sie in der norddeutschen Mitternachtsdämmerung gar nicht sichtbar gewesen. So aber gelangen mehreren Beobachtern Fotos und Zeitraffer von Polarlichtern und NLCs. Derart gut ist das gemeinsame Auftreten beider Phänomene in Deutschland zuvor noch nie dokumentiert worden. Südlich des 52. Breitengrades, wo die Sonne zu tief sank, um NLCs während der gesamten Nacht sehen zu können, traten die Polarlichter genau in der Lücke zwischen den abendlichen und morgendlichen Displays auf. * Ursache der Polarlichter war der Hochgeschwindigkeits-Sonnenwind aus einem Coronal Hole (CH 676), welcher von einem Sektorwechsel im Heliospheric Current Sheet (HCS) begleitet wurde (SWEPAM-Plot). Die ungefähre Ankunftszeit des schnellen Sonnenwinds war voraussehbar. Dass auch die erfahrenen Polarlicht-Beobachter von der Situation überrascht wurden, lag wohl an der allgemeinen NLC-Euphorie. Abb. 5: Wolkenverteilung über Deutschland am 10.07.2015 um 23 MESZ. (Quelle: Wetteronline)
Abb. 6: Wolkenverteilung über Deutschland am 11.07.2015 um 03 MESZ. (Quelle: Wetteronline)
22 Beobachter lieferten Angaben zu Azimuth und Höhe der Abend-Displays, immerhin noch 6 trugen Daten zu den Morgen- Displays bei (Tab. 1), woraus sich die Positionsrekonstruktionen in Abb. 7 und 8 gewinnen ließen. Hierbei ist zu beachten, dass die Meldungen sich auf die maximale azimuthale Ausdehnung und die Höhe der Displays beziehen. Das umfangreiche fotografische Material belegt, dass die NLCs durchweg bis zum Horizont bzw. bis in den horizontnahen Dunst reichten. Die Grafiken geben daher nur die Oberkanten und somit die für den jeweiligen Beobachter maximal sichtbare Südausdehnung der NLCs wieder. Daraus ergibt sich, dass der tatsächlich von NLCs überdeckte Bereich wesentlich größer war. Er hat am Abend mindestens den gesamten Sektor zwischen 50° und 60° N sowie zwischen 5° und 20° E umfasst. Da aus England für diese Nacht keine Beobachtungen vorliegen, kann es gut sein, dass um den 5. östliche Längengrad eine wirkliche Begrenzung vorlag. Nach Osten war am 20. Längengrad sicherlich nicht Schluss, da aus mehreren osteuropäischen Ländern bis zum Baltikum Meldungen vorliegen. Auch nach Norden wird das Feld weiter gereicht haben, denn auch aus den nordischen Ländern existieren Beobachtungsberichte. Sicher definiert ist durch die mitteleuropäischen Beobachter daher nur die Südgrenze des NLC-Felds. Die hier beobachtete Elevation betrug maximal 60°, obwohl die Wolken für praktisch jeden nördlich des 50. Breitengrades im Zenit gestanden haben müssen. Offenbar war die optische Dichte in diesem Fall so gering, dass sich die NLCs in Zenitnähe nicht mehr vom Himmelshintergrund absetzen konnten. Olaf Squarra konnte nachträglich durch Auswertung von Fotos belegen, dass die NLCs an seinem Standort in Rostock weit über den Zenit hinaus nach Süden reichten. Tab. 1: Datengrundlage für die Positionsrekonstruktionen in Abb. 7 und 8.
Abb. 7: Positionsrekonstruktion der am Abend des 10.07.2015 in Mitteleuropa beobachteten NLCs.
Abb. 8: Positionsrekonstruktion der am Morgen des 11.07.2015 in Mitteleuropa beobachteten NLCs.
Seit dem 05.07.15 hatte OSWIN immer wieder eher schwache Echos gezeigt; parallel waren in 3 Nächten NLCs beobachtet worden, welche maximal Helligkeit 3 erreichten, aber in der Nacht 06./07.07.2015 weit verbreitet beobachtet wurden. Prinzipiell herrschten also in der Mesopause-Region etwa nördlich des 54. Breitengrades über mehrere Tage hinweg Bedingungen zur Entstehung Leuchtender Nachtwolken. Durch eine sehr starke südwärts gerichtete und rund 12 Stunden anhaltende Höhenströmung (Abb. 9) wurde dann am 10.07.2015 offenbar zusätzlich sehr kalte Luft von Norden herangeführt. Am Mittag dieses Tages setzte eine Phase rapider Auskondensation ein, welche sich durch sehr kräftige und bis fast zum Sonnenuntergang anhaltende Echos an OSWIN bemerkbar machte (Abb. 10). Kurz nach Ende der Echos kamen bereits die ersten NLC-Meldungen aus Süddeutschland. Es zeigte sich bald, dass es sich nicht nur um ein lokales Abkühlungs-Phänomen über der mecklenburgischen Ostseeküste handelte, sondern dass sich über ganz Mitteleuropa bis etwa zum 50. Breitengrad eine geschlossene NLC-Decke ausgebildet hatte (Abb. 7). Um die astronomische Mitternacht waren durch den Sonnenstand bedingt Beobachtungen lediglich nördlich des 52. Breitengrades möglich. Als weiter südlich die Morgendämmerung einsetzte, hatten sich die NLCs deutlich nach Norden zurückgezogen (Abb. 8) und auch in der Intensität abgeschwächt. Tatsächlich war die in Juliusruh registrierte Südströmung bereits am späten Nachmittag des 10.07.2015 wieder zusammengebrochen. OSWIN zeigte lediglich am Vormittag des 11.07.2015 noch einmal ein Echo. Offenbar hatte es sich um eine intensive, aber kurzfristige Abkühlungphase der Mesosphäre über dem nördlichen Mitteleuropa gehandelt. Abb. 9: Plot des Juliusruh-Windradars für den Zeitraum 09.07.2015, 19:30 MESZ bis 10.07.2015, 19:30 MESZ. (Quelle: IAP)
Abb. 10: OSWIN-Plot für den Zeitraum 10.07.2015, 11:30 MESZ bis 11.07.2015, 11:30 MESZ. (Quelle: IAP)
Leuchtenden Nachtwolken wurden in der gleichen Nacht in zahlreichen Ländern Mittel-, Ost- und Nordeuropas beobachtet, namentlich in Deutschland, Schweiz, Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Lettland, Estland, Schweden, Norwegen und Dänemark.
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